Rückzahlung von Weihnachtsgeld
Einleitung
Viele Arbeitgeber gewähren ihren Beschäftigten ein Weihnachtsgeld (Jahressonderzahlung) als zusätzliche Leistung zum Jahresende. Oft ist diese Zahlung an Bedingungen geknüpft – etwa eine Stichtagsklausel, die vorschreibt, dass das Arbeitsverhältnis an einem bestimmten Datum ungekündigt bestehen muss. Solche Klauseln sollen sicherstellen, dass nur Mitarbeiter, die dem Betrieb eine bestimmte Zeit treu bleiben, das Weihnachtsgeld behalten dürfen. Kommt es jedoch zur Kündigung oder zum Ausscheiden des Arbeitnehmers, stellt sich die Frage, unter welchen Umständen das Weihnachtsgeld zurückgezahlt werden muss. Die Rechtslage hierzu hat sich durch aktuelle Urteile (insbesondere des Bundesarbeitsgerichts, BAG) herausgebildet. Im Folgenden werden die wichtigsten Grundsätze, Urteile und Voraussetzungen für zulässige bzw. unwirksame Rückzahlungsklauseln übersichtlich zusammengefasst.
Stichtagsklauseln verlangen, dass ein Arbeitnehmer zu einem bestimmten Stichtag (meist dem 31. Dezember oder dem Auszahlungszeitpunkt) im ungekündigten Arbeitsverhältnis steht, um Weihnachtsgeld zu erhalten. Wichtig ist dabei der Zweck der Sonderzahlung: Handelt es sich um eine Gratifikation mit Mischcharakter – also teils Belohnung für bereits geleistete Arbeit im ablaufenden Jahr und teils Anreiz für zukünftige Betriebstreue – darf sie nicht von einem Stichtag außerhalb des Bezugszeitraums abhängig gemacht werden.
Das bedeutet: Wenn das Weihnachtsgeld zumindest auch Entlohnung für die im Bezugsjahr erbrachte Arbeitsleistung darstellt, kann der Arbeitgeber nicht wirksam verlangen, dass der Arbeitnehmer über das Jahresende hinaus im Betrieb bleibt, um den Anspruch nicht zu verlieren. Eine solche Klausel würde dem Grundsatz widersprechen, dass geleistete Arbeit vergütet werden muss.
Das BAG spricht hier von einer unzulässigen Beeinträchtigung des Kündigungsrechts des Arbeitnehmers – der Arbeitnehmer würde benachteiligt, weil er bei vorzeitigem Ausscheiden für bereits erbrachte Arbeitsleistung leer ausginge.
Anders ist es, wenn die Sonderzahlung ausschließlich der Betriebstreue dient und keinen Entgeltcharakter hat. Reine Treueprämien dürfen an den Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Stichtag geknüpft werden.
Entscheidend ist also, wie die Zahlung vertraglich eingeordnet ist und welchen Zweck sie verfolgt. Die Bezeichnung als „Weihnachtsgratifikation“ allein ist nicht ausschlaggebend – maßgeblich ist der tatsächliche Charakter der Leistung (Belohnung für Arbeitsleistung oder reine Loyalitätsprämie). Faustregel: Je höher die Sonderzahlung im Verhältnis zum Jahresgehalt, desto eher liegt ein Mischcharakter nahe. Nach der Rechtsprechung wird ab ca. 25 % des Jahresgehalts regelmäßig angenommen, dass die Leistung zumindest teilweise Vergütung für erbrachte Arbeit darstellt.
In diesen Fällen wäre eine Bindung an einen weit entfernten Stichtag kritisch. Ist das Weihnachtsgeld demgegenüber gering und eindeutig als freiwillige Zusatzleistung für die Betriebstreue deklariert, kann eine Stichtagsklausel wirksam sein – vorausgesetzt, sie ist klar formuliert und angemessen.
Aktuelle Rechtsprechung des BAG (Bundesarbeitsgericht)
Die Zulässigkeit von Stichtags- und Rückzahlungsklauseln bei Weihnachtsgeld war Gegenstand mehrerer Entscheidungen des BAG. Diese Urteile haben die Rechtslage präzisiert und teils verschärft. Im Folgenden einige wichtige Entscheidungen und deren Auswirkungen:
-
-
BAG, Urteil vom 18.01.2012 (10 AZR 667/10) – In diesem Grundsatzurteil stellte das BAG klar, dass eine Klausel, die den Anspruch auf Weihnachtsgeld bei bestehender Kündigung generell ausschließt, nicht per se unwirksam ist, sofern das Weihnachtsgeld ausschließlich als Treueprämie gedacht ist.
Ist die Sonderzuwendung kein Arbeitsentgelt für geleistete Arbeit, sondern rein an den Bestand des Arbeitsverhältnisses gekoppelt, stellt es keine unangemessene Benachteiligung dar, das Weihnachtsgeld nur an ungekündigte Mitarbeiter auszuzahlen.
-
-
-
BAG, Urteil vom 13.11.2013 (10 AZR 848/12) – In diesem Fall hatte ein Arbeitgeber die Weihnachtsgratifikation an die Bedingung geknüpft, dass das Arbeitsverhältnis am 31. Dezember ungekündigt fortbesteht. Ein Arbeitnehmer, der zum 30. September selbst kündigte, erhielt daher nichts. Das BAG beurteilte die Klausel als unwirksam und gab dem Arbeitnehmer Anspruch auf anteiliges Weihnachtsgeld.
Begründung: Aus den Richtlinien des Arbeitgebers ergab sich, dass die Zahlung auch als „Dank für bisherigen Einsatz“ im laufenden Jahr gedacht war – sie hatte also unzweifelhaft Entgeltcharakter für bereits geleistete Arbeit. -
BAG, Urteil vom 13.05.2015 (10 AZR 266/14) – Hier bestätigte das BAG die Linie der Vorentscheidungen erneut.
Es unterstrich, dass die zuvor genannten Grundsätze (Unwirksamkeit von Stichtagsbindung außerhalb des Bezugszeitraums bei Mischcharakter) weiterhin gelten. Für die Praxis bedeutete dies eine Verschärfung: Arbeitgeber müssen nun besonders darauf achten, klarzustellen, wenn eine Sonderzahlung nur der Betriebstreue dienen soll. Andernfalls hält eine Rückzahlungs- oder Stichtagsklausel einer gerichtlichen Inhaltskontrolle nicht stand. -
BAG, Urteil vom 27.06.2018 (10 AZR 290/17) – Eine Besonderheit gilt für tarifvertragliche Regelungen. In diesem Urteil entschied das BAG, dass Tarifvertragsparteien weitergehende Gestaltungsmöglichkeiten haben.
Im TarifvertragTarifvertrag Ein Tarifvertrag ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeberverbänden oder einzelnen Arbeitgebern und Gewerkschaften, die Arbeitsbedingungen wie Löhne und Arbeitszeiten regelt. Er gilt für alle Mitglieder der beteiligten Organisationen und kann für allgemeinverbindlich erklärt werden. kann eine Sonderzahlung auch dann an einen Stichtag außerhalb des Bezugszeitraums geknüpft werden, wenn die Zahlung zumindest auch geleistete Arbeit vergüten soll.
-
Zulässigkeit von Rückzahlungsklauseln – Voraussetzungen
Grundsätzlich gilt: Eine vertragliche Rückzahlungsklausel für Weihnachtsgeld ist nur wirksam, wenn sie den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligt. Aus der Rechtsprechung lassen sich folgende zulässige Gestaltungsmöglichkeiten und Voraussetzungen ableiten:
-
-
Klarer Zweck als Treueprämie: Die Klausel sollte unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass das Weihnachtsgeld freiwillig und ausschließlich als Anerkennung der Betriebstreue gezahlt wird – nicht als Vergütung für vergangene Arbeitsleistung.
Nur dann darf die Zahlung vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abhängig gemacht werden. Die Höhe spielt dabei eine Rolle: Eine sehr hohe Sonderzahlung (z.B. in Höhe mehrerer Monatsgehälter) wird von Gerichten eher als Mischform gesehen, während eine maßvolle Gratifikation als echte Treueprämie durchgehen kann.. -
Angemessener zeitlicher Bindungszeitraum: Die Rückzahlungsverpflichtung darf nur für einen begrenzten Zeitraum nach der Auszahlung gelten. Anerkannte Richtwerte (nach ständiger Rechtsprechung) sind:
-
Bei kleinen Beträgen (bis ca. 102,26 €) ist jede Rückzahlungsklausel unzulässig, da es sich um bloße Aufmerksamkeiten handelt.
-
Beträgt das Weihnachtsgeld über 102,26 € bis maximal zu einem Monatsgehalt, kann eine Bindung bis zum 31. März des Folgejahres vereinbart werden. Scheidet der Arbeitnehmer vorher aus (z.B. durch eigene Kündigung im Januar/Februar), darf der Arbeitgeber die Zahlung zurückfordern.
-
Liegt das Weihnachtsgeld bei einem vollen Monatsgehalt oder darüber, ist eine längere Bindung zulässig, jedoch höchstens bis zum 30. Juni des Folgejahres.
-
-
Spätere Stichtage (z.B. bis Jahresende des Folgejahres) wären überzogen und unwirksam. Diese Fristen orientieren sich daran, was dem Arbeitnehmer je nach Höhe der Gratifikation noch zugemutet werden kann.
-
-
Beschränkung auf arbeitnehmerseitiges Ausscheiden: Eine wirksame Rückzahlungsklausel sollte nur greifen, wenn der Arbeitnehmer selbst kündigt oder aus einem von ihm zu vertretenden Grund ausscheidet (z.B. verhaltensbedingte außerordentliche Kündigung). Keinesfalls darf die Klausel die Rückzahlung auch dann verlangen, wenn der Arbeitgeber kündigt aus Gründen, die in dessen Risikobereich liegen (z.B. betriebsbedingte Kündigung).
Enthält die Klausel keine Differenzierung nach dem Kündigungsgrund und würde sie den Arbeitnehmer sogar bei vom Arbeitgeber veranlasster Beendigung zur Rückzahlung zwingen, ist sie insgesamt unangemessen benachteiligend und unwirksam. -
Transparente und individuelle Vereinbarung: Die Rückzahlungsabrede muss ausdrücklich vereinbart und für den Arbeitnehmer verständlich sein. Ein pauschaler Hinweis auf einen „Vorbehalt der Rückforderung“ reicht nicht aus.
Aus Beweisgründen empfiehlt es sich, die Rückzahlungsverpflichtung schriftlich festzuhalten (z.B. im ArbeitsvertragArbeitsvertrag Ein Arbeitsvertrag ist eine rechtliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die die wesentlichen Bedingungen des Arbeitsverhältnisses festlegt. Er regelt Rechte und Pflichten beider Vertragsparteien und bildet die Grundlage für die Zusammenarbeit. oder durch unterschriebene Vereinbarung bei Auszahlung).
-
Unwirksamkeit von Rückzahlungsklauseln – wann sie nicht greift
Eine Rückzahlungsklausel für Weihnachtsgeld ist unwirksam, wenn sie gegen die oben genannten Grundsätze verstößt oder den Arbeitnehmer unverhältnismäßig benachteiligt. Insbesondere in folgenden Konstellationen hat die Rechtsprechung Klauseln kassiert:
-
-
Mischcharakter & Stichtag außerhalb Bezugsjahr: Wie erwähnt, ist eine Klausel unwirksam, wenn das Weihnachtsgeld zumindest teilweise Entgelt für geleistete Arbeit darstellt, und die Klausel einen Verbleib bis weit nach dem Zeitraum der Arbeitsleistung fordert. Das klassische Beispiel ist die Forderung, dass das Arbeitsverhältnis bis 31.12. (oder sogar bis 31.3. des Folgejahres) ungekündigt bestehen muss, obwohl das Weihnachtsgeld auch für das abgelaufene Jahr als Vergütung gedacht war.
Hier liegt ein Verstoß gegen § 307 BGB vor, da dem Arbeitnehmer sein erarbeiteter Lohn vorenthalten würde. Die Gerichte werten dies als Verlust bereits verdienten Entgelts und damit als unangemessene Benachteiligung. -
Undifferenzierte Klausel bei Kündigungsgründen: Wie oben ausgeführt, sind Klauseln unwirksam, die nicht unterscheiden, aus wessen Sphäre die Beendigung des Arbeitsverhältnisses stammt. Erfasst die Rückzahlungsverpflichtung auch Kündigungen durch den Arbeitgeber oder aus arbeitgeberseitigem Verschulden, ist sie insgesamt unzulässig.
Ein Arbeitnehmer darf nicht sein Weihnachtsgeld verlieren, wenn er z.B. betriebsbedingt entlassen wird oder selbst kündigt, weil der Arbeitgeber erheblich vertragsbrüchig wurde – in solchen Fällen wäre die starre Rückzahlungspflicht unfair. -
Geringfügige Beträge: Wie die Rechtsprechung vorgibt, sind Klauseln bei Bagatellbeträgen (bis ~100 €) generell unwirksam. Hier stellt das Weihnachtsgeld eine kleine Aufmerksamkeit dar, die nicht rückforderbar ist – ein Rückzahlungsvorbehalt wäre unverhältnismäßig streng.
-
Freiwilligkeitsvorbehalt und gleichzeitige Rückforderung: Zwar nicht direkt eine Stichtagsfrage, aber der Vollständigkeit halber: Die Kombination, eine Leistung als freiwillig zu deklarieren und dennoch eine Rückzahlung zu fordern, kann problematisch sein. Ein Freiwilligkeitsvorbehalt soll ja bedeuten, dass kein Rechtsanspruch besteht – wenn aber gezahlt wird und dann zurückgefordert werden kann, widerspricht sich das. Daher müssen Arbeitgeber konsistente Regelungen wählen (entweder freiwillig ohne Rückforderung, oder verbindlich mit klaren Bedingungen).
-
Fazit
Stichtags- und Rückzahlungsklauseln beim Weihnachtsgeld müssen sorgfältig formuliert sein, um wirksam zu sein. Die aktuelle BAG-Rechtsprechung stellt hohe Anforderungen an die transparente Zwecksetzung der Zahlung und an die faire Ausgestaltung der Bedingungen. Grundsätzlich gilt:
-
-
Soll das Weihnachtsgeld eine Belohnung für die geleistete Arbeit darstellen, darf der Arbeitgeber den Anspruch nicht nachträglich entziehen, nur weil der Arbeitnehmer vor oder kurz nach dem Jahresende ausscheidet. Eine pauschale Verfalls- oder Rückzahlungsklausel wäre hier rechtsunwirksam – der Arbeitnehmer hat dann Anspruch zumindest auf den anteiligen Betrag für die bis dahin erbrachte Leistung. Die Urteile der letzten Jahre stärken insoweit die Rechte der Arbeitnehmer, indem sie sicherstellen, dass erarbeitetes Weihnachtsgeld nicht leichtfertig verloren geht.
-
Handelt es sich hingegen um eine echte Treueprämie, die zusätzlich zum Lohn nur für die Zukunftsmotivation gezahlt wird, können Arbeitgeber den Verbleib bis zu einem bestimmten Datum verlangen. Solche Klauseln sind zulässig, wenn der Zeitraum angemessen (bis max. Mitte des Folgejahres bei hohen Gratifikationen) und die Klausel nicht unfair erweitert ist (kein Rückzahlungszwang bei Arbeitgeber-Kündigung etc.).
-
Arbeitgeber sollten nach den aktuellen Urteilen darauf achten, den Charakter des Weihnachtsgeldes klar zu definieren. Werden andere Ziele als die Vergütung der Arbeitsleistung verfolgt (z.B. Betriebstreue, Unternehmenserfolg), muss dies deutlich im Vertrag oder der Vereinbarung zum Ausdruck kommen. Andernfalls läuft man Gefahr, dass eine Stichtags- oder Rückzahlungsklausel vor Gericht gekipt wird. Insgesamt hat die Rechtsprechung die Arbeitnehmerrechte gestärkt, ohne jedoch treueabhängige Sonderzahlungen gänzlich zu verbieten – eine rechtssichere Gestaltung ist möglich, erfordert aber Fingerspitzengefühl und klare Formulierungen. So lässt sich Weihnachtsgeld weiterhin als Motivationsinstrument einsetzen, ohne die Grenzen der Zulässigkeit zu überschreiten.
Rückzahlungs-Kalkulator für Weihnachtsgeld
Müssen Sie Ihr Weihnachtsgeld zurückzahlen?
Dieser Kalkulator hilft Ihnen festzustellen, ob Sie das erhaltene Weihnachtsgeld bei Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses zurückzahlen müssen. Die Berechnung basiert auf aktueller Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zu Stichtagsklauseln.
Hinweis: Dieser Kalkulator dient nur zur ersten rechtlichen Orientierung und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht.
Schritt 1: Grunddaten zum Weihnachtsgeld
In der Regel im November oder Dezember
Schritt 2: Angaben zur Kündigung
Schritt 3: Rückzahlungsklausel
Ihr Ergebnis
Disclaimer: Diese Berechnung basiert auf allgemeinen rechtlichen Grundsätzen und kann nicht alle individuellen Umstände berücksichtigen. Bei Unklarheiten wenden Sie sich bitte an einen Fachanwalt für Arbeitsrecht.
Jetzt anrufen und kostenlose Ersteinschätzung erhalten
ODER