Wann findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung?

Wann findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung?

Wann findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung?

In diesem Beitrag erklären wir, wann das Kündigungsschutzgesetz zur Anwendung kommt. Dies ist insbesondere deshalb wichtig, weil wenn das Kündigungsschutzgesetz zur Anwendung kommt, der Arbeitgeber einen Kündigungsgrund benötigt. Findet es keine Anwendung, so besteht grundsätzlich kein Kündigungsschutz (außer bei einer sehr seltenen treuwidrigen Kündigung) und der Arbeitgeber kann das Arbeitsverhältnis ohne Grund beenden, er muss lediglich die Kündigungsfrist beachten.

Voraussetzung nach dem Kündigungsschutzgesetz

In Kündigungsrechtsstreitigkeiten stellt sich häufig die Frage, ob das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet. Hierbei kommt es ganz wesentlich auf zwei Voraussetzungen an. 

  • Das Arbeitsverhältnis muss in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden haben. (§ 1 Abs. 1 KSchG)
  • Es müssen mehr als 5 Arbeitnehmer (vor dem 31.12.2003) bzw. mehr als 10 Arbeitnehmer (nach dem 31.12.2003) beschäftigt sein (§ 23 Abs. 1 KSchG)

1. Regelmäßig beschäftigte Arbeitnehmer, wer zählt mit, wer nicht?

Das Gesetz stellt in § 23 Abs. 1 S. 2, 3 auf die in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer ab. Es ist daher bei der Berechnung der Beschäftigtenanzahl nicht eine Stichtagsberechnung vorzunehmen, sondern unter Beachtung der Betriebsstruktur diejenige Anzahl an Beschäftigten zu bestimmen, die für den Betrieb kennzeichnend ist. Es soll vermieden werden, dass die Einordnung von Betrieben, deren Beschäftigtenzahl nahe dem Schwellenwert liegt, wegen vordergründiger Veränderung der Beschäftigtenzahl nur dem zufälligen Beschäftigungsstand am Tag des Zugangs der Kündigung unterliegt. Zur Bestimmung der regelmäßigen Beschäftigtenzahl bedarf es eines Rückblicks auf die bisherige personelle Stärke des Betriebes, aber auch einer Mitberücksichtigung der absehbaren zukünftigen Entwicklung. Sinn dieser gesetzlichen Regelung ist es nämlich, auf die Beschäftigungslage abzustellen, die im Allgemeinen für den Betrieb kennzeichnend ist, während die zufällige tatsächliche Beschäftigtenzahl zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs unbeachtlich sein soll.

Bei der Zählung werden nicht alle Personen mitgezählt. Nachfolgend stellen wir dar, wer bei der Zählung zu berücksichtigen ist und wer nicht. 

a) GmbH Geschäftsführer

Ein GmbH Geschäftsführer beispielsweise nimmt Arbeitgeberfunktionen wahr und ist daher grundsätzlich nicht mitzuzählen. Es werden auch keine freien Mitarbeiter mitgezählt, sofern diese tatsächlich als Selbstständige zu werten sind. Scheinselbstständigen dürften hingegen mitzählen. 

b) Leiharbeitnehmer

Leiharbeitnehmer werden grundsätzlich nicht mitgezählt. Allerdings werden Sie dann mitgerechnet, wenn ihr Einsatz auf einem „in der Regel“ vorhandenen Personalbedarf beruht (BAG 24.1.2013 24.1.2013, NZA 2013, 726).

Werden als Leiharbeitnehmer nur eingesetzt, um außergewöhnlich hohen Geschäftsanfall abzudecken, dann werden Sie nicht berechnet. Werden Sie jedoch eingesetzt, um Stammpersonal dauerhaft zu ersetzen, also ihre Beschäftigung dem Regelzustand des Betriebes entspricht, dann werden Sie mitgezählt.

Eine Kündigungsschutzklage muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erhoben werden.

Beispiel 1: Im Betrieb sind 9 Vollzeitbeschäftigte beschäftigt. Um einen großen Auftrag abzuwickeln, werden für 3 Monate 2 Leiharbeitnehmer eingesetzt. In dieser Zeit wird einem der 9 Vollzeitbeschäftigten gekündigt. Sind nun die beiden Leiharbeitnehmer gem. § 23 Abs. 1 KSchG mitzuzählen? Nein, da die Beschäftigtenzahl von 11 Vollzeitkräften nicht dem Regelzustand des Betriebes entspricht werden die zwei Leiharbeitnehmer nicht mitgezählt. 

Abwandlung zum Beispiel 1: Was wäre nun, wenn sich herausstellt, dass der große Auftrag bis zu 2 Jahren fortgeführt werden soll und die 2 Leiharbeitnehmer für diese 2 Jahre eingesetzt werden sollen? In diesem Fall müsste man davon ausgehen, dass nach aufgrund der Dauer von 2 Jahren ein Regelzustand von 11 Vollzeitmitarbeitern eingetreten ist und damit die beiden Leiharbeitnehmer mitzuzählen wären. 

Beispiel 2: Im Betrieb sind 11 vollzeitbeschäftigt. Zwei Mitarbeiter kündigen und das Unternehmen entscheidet sich diese beiden offenen Stellen mit Leiharbeitnehmer zu besetzten. Nun wird ein Mitarbeiter gekündigt. Besteht Kündigungsschutz? In diesem Fall zählen die beiden Leiharbeitnehmer mit, da der Regelzustand des Betriebes 11 Vollzeitbeschäftigten entspricht. 

Beispiel 2: Im Betrieb sind 11 vollzeitbeschäftigt. Zwei Mitarbeiter kündigen und das Unternehmen entscheidet sich diese beiden offenen Stellen mit Leiharbeitnehmer zu besetzten. Nun wird ein Mitarbeiter gekündigt. Besteht Kündigungsschutz? In diesem Fall zählen die beiden Leiharbeitnehmer mit, da der Regelzustand des Betriebes 11 Vollzeitbeschäftigten entspricht. 

c) Familienangehörige

Zu berücksichtigen sind Familienangehörige, sofern sie sich in einem Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsinhaber befinden.

d) Ausländische Arbeitnehmer auf die deutsches Arbeitsrecht nicht anzuwenden ist

Ausländische Arbeitnehmer, auf die deutsches Arbeitsrecht nicht anzuwenden ist, werden berücksichtigt, sofern sie in einem inländischen Betrieb beschäftigt sind.

e) Elternzeit/Mutterschutz

Arbeitnehmerinnen die sich im Mutterschutz befinden sind bei der Ermittlung der Beschäftigtenzahl zu berücksichtigen. 

Arbeitnehmer in Elternzeit werden grundsätzlich mitgezählt, wenn vor und nach der Elternzeit der Betrieb mit der gleichen Beschäftigtenzahl unverändert ausgestattet ist. Eine Doppelzählung zusammen mit einer Vertreterin, die für die in Elternzeit befindliche Arbeitnehmerin eingesetzt wurde, erfolgt jedoch nicht. 

f) Aushilfsarbeitnehmer

Aushilfsarbeitnehmer werden nur dann berücksichtigt, wenn man feststellen kann, welche Anzahl von ihnen regelmäßig in dem Betrieb beschäftigt ist. Es ist entscheidend, wie viele Aushilfsarbeitsplätze regelmäßig besetzt sind.

g) Auszubildende

Die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten werden nicht berücksichtigt.

h) Gekündigter Arbeitnehmer

Der gekündigte Arbeitnehmer wird auch mitgezählt, auch wenn seine Stelle nicht mehr neu besetzt werden soll. 

BezeichnungZu berücksichtigenAnmerkung
TeilzeitbeschäftigteJa
Befristet eingestellte ArbeitnehmerJa
LeiharbeitnehmerJaAber siehe Anmerkungen oben im Abschnitt dazu
AushilfskräfteJa
ruhende Arbeitsverhältnisse (z.B. Wehr- oder Zivildienstleistende, Eltern im Erziehungsurlaub oder in Elternzeit)JaAber siehe Anmerkungen oben im Abschnitt dazu
Familienangehörige des Arbeitgebers, sofern sie sich in einem Arbeitsverhältnis befindenJa
Gekündigter Mitarbeiter selbstJa
GeschäftsführerNein
AuszubildendeGrundsätzlich Neindann mitzurechnen, wenn der Schwerpunkt des jeweiligen Vertragsverhältnisses in der Erledigung von Arbeit liegt.
AnlernlingeGrundsätzlich Neindann mitzurechnen, wenn der Schwerpunkt des jeweiligen Vertragsverhältnisses in der Erledigung von Arbeit liegt.
VolontäreGrundsätzlich Neindann mitzurechnen, wenn der Schwerpunkt des jeweiligen Vertragsverhältnisses in der Erledigung von Arbeit liegt.
PraktikantenGrundsätzlich Neindann mitzurechnen, wenn der Schwerpunkt des jeweiligen Vertragsverhältnisses in der Erledigung von Arbeit liegt.
UmschülerGrundsätzlich Neindann mitzurechnen, wenn der Schwerpunkt des jeweiligen Vertragsverhältnisses in der Erledigung von Arbeit liegt.

2. Schwellenwert von mehr als 10 Arbeitnehmern

Für Arbeitnehmer die nach dem 31.12.2003 im Unternehmen beschäftigt sind, gilt der Schwellenwert von mehr als 10 Arbeitnehmern. Liegt also die Zahl der Vollzeit  Beschäftigten bei über 10 und ist der Arbeitnehmer länger als 6 Monate im Unternehmen, genießt der Arbeitnehmer Kündigungsschutz. 

3. Sonderfall: Vor dem 1.1.2004 begonnene Arbeitsverhältnisse

Seit dem 01.01.2004 gilt der Schwellenwert von mehr als 10 Arbeitnehmern für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes. Für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor dem 1.1.2004 in einem Betrieb begonnen hat, gilt eine Sonderregelung, dass der Schwellenwert bei mehr als fünf Arbeitnehmer liegt. 

Arbeitnehmer, die am 31.12.2003 Kündigungsschutz genossen, können diesen auch für die Zukunft beanspruchen, solange der Betrieb, in dem sie beschäftigt sind, den Schwellenwert für Altbetriebe von fünf regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmern übersteigt.

Fällt die Arbeitnehmeranzahl auf fünf oder weniger, verlieren auch die bereits vor dem 1.1.2004 beschäftigten Arbeitnehmer den allgemeinen Kündigungsschutz. Kündigungsschutz würden dann erst wieder bestehen, wenn im Betrieb mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftgt werden. 

Ersatzeinstellungen für ausgeschiedene „Altarbeitnehmer“ sind für den abgesenkten Schwellenwert nicht zu berücksichtigen (BAG 21.9.2006, NZA 2007, 438). Sobald die Anzahl der bereits vor dem 1.1.2004 beschäftigten Arbeitnehmer auf fünf oder weniger absinkt, geht der allgemeine Kündigungsschutz für alle „Altarbeitnehmer“ unwiderruflich verloren, sofern nicht insgesamt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden.

Beispiel: In einem Betrieb sind am 31.12.2003 sechs Arbeitnehmer regelmäßig Vollzeit beschäftigt. Einer dieser sechs Arbeitnehmer scheidet am 30.04.2004 aus dem Betrieb aus. Die Anzahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer beträgt nun nur noch fünf und liegt damit unterhalb des Schwellenwertes, womit der Kündigungsschutz entfällt. Am 01.07.2004 wird ein neuer Arbeitnehmer in Vollzeit eingestellt. Es entsteht kein neuer Kündigungsschutz, weder für den „neuen“, noch für die „alten“ Arbeitnehmer. Ein Kündigungsschutz würde erst wieder entstehen, wenn der Schwellenwert von 10 Arbeitnehmer regelmäßig Vollzeit beschäftigten überschritten wird. 

4. Wie werden Teilzeitbeschäftigte gezählt?

Wie oben bereits in der Tabelle dargestellt, sind Teilzeitbeschäftigte bei der Feststellung des Schwellenwertes zu berücksichtigen. Gezählt werden Teilzeitbeschäftigte abhängig von ihrer wöchentlichen Arbeitszeit. Es ergibt sich somit aus dem Gesetz folgende Zählmethodik:

Wochenarbeitszeit (WAZ)Zählung
Nicht mehr als 20 Stunden0,5
20 – 30 Stunden0,75
Mehr als 30 Stunden1,0

Beispiel1: Im Betrieb sind 15 Arbeitnehmer beschäftigt. 5 haben eine WAZ nicht mehr als 20 Stunden die. 8 haben ein WAZ von 20-30 Stunden und 2 eine WAZ von mehr als 30 Stunden. Es ergibt sich somit folgende Zählung. 

5 x 0,5 = 2,5

8 x 0,75 = 6

2 x 1,0 = 2

Insgesamt ergibt sich eine Beschäftigtenzahl von 10,5, somit wäre das Kündigungsschutzgesetz anwendbar. 

Beispiel2: Im Betrieb sind 15 Arbeitnehmer beschäftigt. 8 haben eine WAZ nicht mehr als 20 Stunden die. 4 haben ein WAZ von 20-30 Stunden und 3 eine WAZ von mehr als 30 Stunden. Es ergibt sich somit folgende Zählung. 

8 x 0,5 = 4

4 x 0,75 = 3

3 x 1,0 = 3

Insgesamt ergibt sich eine Beschäftigtenzahl von 10,0, somit wäre das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar, weil nicht mehr als 10 Vollzeitbeschäftigte vorhanden sind. 

Der Gesetzgeber ist bei der gesetzlichen Bestimmung vereinfachend von einer 40-Stunden-Woche als Regelfall ausgegangen. Eine Berücksichtigung der betrieblichen oder tariflichen Besonderheiten bei der Bemessung der Wochenarbeitszeit erfolgt nicht. Entscheidend ist nicht die tatsächlich geleistete, sondern die vereinbarte Arbeitszeit. Es sind daher weder Überstunden, noch vorübergehende Zeiten besonders hoher Arbeitszeit zu berücksichtigen, soweit die vereinbarte Arbeitszeit und die im Jahresverlauf durchschnittlich geleistete Wochenarbeitszeit im Wesentlichen übereinstimmen. Weichen die vereinbarte und tatsächlich geleistete Wochenarbeitszeit jedoch nicht nur vorübergehend voneinander ab, ist auf die tatsächlich geleistete Arbeit abzustellen

5. Sonderfall Gemeinschaftsbetrieb

Liegt ein Gemeinschaftsbetrieb vor, so kann das Kündigungsschutzgesetz dennoch Anwendung finden, wenn alle Arbeitnehmer insgesamt den Schwellenwert von 10 Arbeitnehmer überschreiten. 

Beispiel: Mitarbeiter A arbeitet bei der X GmbH. Bei der X GmbH arbeiten insgesamt 4 Vollzeitkräfte. Die X GmbH gehört einem Konzern an, der noch eine weitere GmbH nämlich die Y GmbH als Tochtergesellschaft hat. Die Y GmbH beschäftigt insgesamt 10 Vollzeitbeschäftigte. X GmbH und Y GmbH sind in den gleichen Büroräumlichkeiten. Herr Mustermann ist Geschäftsführer sowohl bei der X GmbH als auch bei der Y GmbH. Die beiden Gesellschaften werden in Personalangelegenheiten von der gleichen HR-Abteilung betreut und nutzen auch die Buchhaltung wird gemeinsam genutzt.  In de Beispiel spricht viel dafür, dass ein Gemeinschaftsbetrieb vorliegt. In diesem Fall werden die Mitarbeiterzahl der X und Y GmbH zusammengezählt, so dass der Schwellenwert von 10 Mitarbeitern überschritten ist. 

6. Beweislast

Für das Überschreiten des Schwellenwertes gem. § 23 I 2 bzw. 3 KSchG trägt der Arbeitnehmer die Beweislast. Einer größeren Sachnähe des Arbeitgebers und etwaigen Beweisschwierigkeiten des Arbeitnehmers ist durch eine abgestufte Darlegungslast Rechnung zu tragen.

Zunächst muss der Arbeitnehmer plausibel darlegen, dass im Betrieb in der Regel mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Bestreitet der Arbeitgeber dies, so muss er detaillierte Angaben zur Anzahl und Struktur der in seinem Betrieb beschäftigten Personen machen. Beispielsweise kann er erklären, dass ein bestimmter Mitarbeiter kein Arbeitnehmer, sondern ein freier Mitarbeiter ist. Der Arbeitnehmer muss anschließend auf diese Ausführungen des Arbeitgebers wiederum detailliert eingehen, indem er beispielsweise darlegt, dass der betreffende Mitarbeiter tatsächlich weisungsgebunden ist, in den Betrieb integriert ist und bestimmte Arbeitszeiten einhalten muss. Sollten die Behauptungen weiterhin strittig bleiben, wird das Gericht Beweise erheben und kann zu diesem Zweck den betreffenden Mitarbeiter als Zeugen vorladen.

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