Verdachtskündigung im Arbeitsrecht

Verdachtskündigung im Arbeitsrecht: Was Sie wissen müssen

Verdachtskündigung: Der umfassende Leitfaden für Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Inhaltsverzeichnis

Die Verdachtskündigung ist ein komplexes und oft missverstandenes Thema im deutschen Arbeitsrecht. Sie betrifft sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer und kann weitreichende Folgen haben. In diesem ausführlichen Artikel erfahren Sie alles Wichtige über die Voraussetzungen, rechtlichen Grundlagen und Konsequenzen einer Verdachtskündigung.

Was ist eine Verdachtskündigung und wann kommt sie zum Einsatz?

Was ist eine Verdachtskündigung und wann kommt sie zum Einsatz?

Eine Verdachtskündigung ist eine besondere Form der Kündigung im Arbeitsrecht. Sie kommt zum Einsatz, wenn der Arbeitgeber einen dringenden Verdacht (häufig eine Straftat, wie z.B. Diebstahl oder Betrug) hat, dass der Arbeitnehmer eine schwerwiegende Pflichtverletzung begangen hat, dies aber nicht zweifelsfrei beweisen kann. Im Gegensatz zur Tatkündigung basiert die Verdachtskündigung also nicht auf erwiesenen Tatsachen, sondern auf einem begründeten Verdacht. D.h. schon der bloße Verdacht einer Pflichtverletzung, z. B. eines Diebstahls kann für eine Kündigung ausreichen. Denn anders als im Strafrecht gilt im Arbeitsrecht nicht die Unschuldsvermutung. 

Häufige Gründe für eine Verdachtskündigung

Zu den häufigsten Gründen für eine Verdachtskündigung gehören:

  1. Verdacht auf Diebstahl
  2. Vermutete Unterschlagung
  3. Verdacht auf Betrug
  4. Annahme von Bestechungsgeldern
  5. Verdacht auf Arbeitszeitbetrug

Es ist wichtig zu betonen, dass nicht jeder Verdacht eine Verdachtskündigung rechtfertigt. Der Verdacht muss auf objektiven Tatsachen beruhen und so schwerwiegend sein, dass er das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nachhaltig zerstört.

Personenbedingte Kündigung oder Verhaltensbedingte Kündigung

Häufig bekommen wir die Frage gestellt, ob es sich bei einer Verdachtskündigung, um eine personenbedingte oder um eine Verhaltensbedingte Kündigung handelt. Bei der Verdachtskündigung handelt es sich um eine personenbedingte Kündigung, da die Eignung für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses fehlt. 

Was sind die Voraussetzungen einer Verdachtskündigung?

Was sind die Voraussetzungen einer Verdachtskündigung?

Für die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Der Arbeitgeber muss bei einer Verdachtskündigung besonders sorgfältig vorgehen, um rechtliche Konsequenzen zu vermeiden.

1. Dringender Tatverdacht, objektive Tatsachen

Der Verdacht muss auf objektiven Tatsachen beruhen und so stark sein, dass er einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zur Kündigung veranlassen kann. Bloße Vermutungen oder Gerüchte reichen nicht aus, um eine Verdachtskündigung zu begründen.

2. Schwerwiegende Pflichtverletzung

Der Verdacht muss sich auf eine Pflichtverletzung beziehen, die so schwerwiegend ist, dass sie eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen würde, wenn sie erwiesen wäre. Dies kann beispielsweise bei Verdacht auf Diebstahl oder Betrug der Fall sein.

3. Vorherige Anhörung des Arbeitnehmers

Vor Ausspruch einer Verdachtskündigung muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer anhören. Die Anhörung des Arbeitnehmers ist ein zentraler Bestandteil des Verfahrens und dient dazu, dem Betroffenen die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben.

4. Verdachtskündigung ohne Anhörung

Eine ausgesprochen Verdachtskündigung ohne eine erfolgte Anhörung ist unwirksam. 

5. Aufklärungspflicht des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber muss alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen, um den Sachverhalt aufzuklären. Dazu gehört auch die Berücksichtigung entlastender Umstände.

6. Interessenabwägung

Es muss eine Abwägung zwischen den Interessen des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und den Interessen des Arbeitnehmers am Erhalt seines Arbeitsplatzes erfolgen.

Die Anhörung bei einer Verdachtskündigung: Rechte und Pflichten

Die Anhörung bei einer Verdachtskündigung: Rechte und Pflichten

Die Anhörung des Arbeitnehmers ist ein entscheidender Schritt im Prozess der Verdachtskündigung. Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer sollten die Bedeutung dieses Verfahrens kennen.

Pflichten des Arbeitgebers bei der Anhörung

Der Arbeitgeber muss:

  • Den Arbeitnehmer über den Verdacht informieren
  • Ausreichend Zeit zur Vorbereitung einer Stellungnahme einräumen
  • Die Möglichkeit zur persönlichen Äußerung geben
  • Offen für Erklärungen und entlastende Argumente sein

Rechte des Arbeitnehmers bei der Anhörung

Der Arbeitnehmer hat das Recht:

  • Sich zu den Vorwürfen zu äußern
  • Die Aussage zu verweigern
  • Einen Rechtsbeistand oder Betriebsrat hinzuzuziehen

Die Frage die sich häufig stellt, ob sich ein Arbeitnehmer zu den Vorwürfen äußern sollte. Dieses kann nicht pauschal beantwortet werden und hängt immer vom Einzelfall ab. Grds. kann gesagt werden, dass der Arbeitnehmer sich äußern sollte, wenn den Verdacht einfach ausräumen kann. Kann er dies nicht oder stimmen sogar die Vorwürfe, dann kann es ratsam sein, sich nicht zu äußern. 

Frist für die Anhörung

Die Frist für die Anhörung sollte angemessen sein, in der Regel mindestens 2-3 Tage. Eine Verdachtskündigung ohne vorherige Anhörung ist in den meisten Fällen unwirksam.

Rechtliche Grundlagen der Verdachtskündigung

Rechtliche Grundlagen der Verdachtskündigung

Die Verdachtskündigung ist nicht explizit im Gesetz geregelt, sondern hat sich durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) entwickelt. Dennoch gibt es wichtige rechtliche Grundlagen zu beachten.

§ 626 BGB: Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

Die Verdachtskündigung stützt sich oft auf § 626 BGB, der die außerordentliche Kündigung regelt. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Frist für die außerordentliche Kündigung, § 626 Abs. 2 BGB

Nach § 626 Abs. 2 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.

Verlängert sich die Frist bei internen Ermittlungen?

Sofern der Arbeitgeber ermittelt beginnt die Frist nicht zu laufen. Der Arbeitgeber muss jedoch zugig ermitteln. 

Arten der Verdachtskündigung: Außerordentlich oder ordentlich?

Eine Verdachtskündigung kann sowohl als außerordentliche (fristlose) als auch als ordentliche Kündigung ausgesprochen werden.

Außerordentliche Verdachtskündigung

Die außerordentliche Verdachtskündigung ist die schwerwiegendste Form und führt zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Sie kommt nur bei besonders gravierenden Verdachtsmomenten in Betracht, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen.

Ordentliche Verdachtskündigung

Bei weniger schwerwiegenden Fällen oder wenn die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung nicht vollständig erfüllt sind, kann eine ordentliche Verdachtskündigung unter Einhaltung der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfristen ausgesprochen werden.

Die Rolle des Betriebsrats bei einer Verdachtskündigung

Die Rolle des Betriebsrats bei einer Verdachtskündigung

Vor Ausspruch der Kündigung muss der Betriebsrat angehört werden, anderenfalls ist die Kündigung unwirksam. Dies muss auch erfolgen, wenn die Kündigung aufgrund von einem Verdacht des Arbeitgebers ausgeprochen wird. 

Anhörung des Betriebsrats

Da der Betriebsrat vor jeder Kündigung anzuhören ist (§ 102 Betriebsverfassungsgesetz – BetrVG), muss der Arbeitgeber sich auch an den Betriebsrat wenden, bevor er eine Verdachtskündigung aussprechen darf. Dies gilt sowohl für die außerordentliche als auch für die ordentliche Verdachtskündigung.

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats

Der Betriebsrat hat das Recht, der Kündigung zu widersprechen, wenn er sie für ungerechtfertigt hält. Ein Widerspruch des Betriebsrats macht die Kündigung zwar nicht unwirksam, kann aber die Position des Arbeitnehmers in einem möglichen Kündigungsschutzprozess stärken.

Welche rechtlichen Möglichkeiten haben Arbeitnehmer bei einer Verdachtskündigung?

Welche rechtlichen Möglichkeiten haben Arbeitnehmer bei einer Verdachtskündigung?

Wird eine Verdachtskündigung ausgesprochen, hat der Arbeitnehmer verschiedene Möglichkeiten, darauf zu reagieren.

Klage beim Arbeitsgericht (Kündigungsschutzklage)

Der Arbeitnehmer kann innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einreichen. Dabei wird geprüft, ob die Voraussetzungen für eine wirksame Verdachtskündigung erfüllt sind.

Widerspruch und Weiterbeschäftigung

In bestimmten Fällen kann der Arbeitnehmer Widerspruch gegen die Kündigung einlegen und die Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses verlangen.

Verhandlung über Aufhebungsvertrag

Alternativ können Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch über einen Aufhebungsvertrag verhandeln, der das Arbeitsverhältnis einvernehmlich beendet.

Beweislast und Darlegungspflicht bei der Verdachtskündigung

Beweislast und Darlegungspflicht bei der Verdachtskündigung

Bei einer Verdachtskündigung gelten besondere Regeln hinsichtlich der Beweislast und Darlegungspflicht, die sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer kennen sollten.

Beweislast des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber trägt die Beweislast für das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts. Er muss darlegen und beweisen, dass objektive Tatsachen vorliegen, die den Verdacht begründen.

Darlegungspflicht des Arbeitnehmers

Der Arbeitnehmer hat eine erhöhte Darlegungspflicht. Er muss substantiiert zu den Vorwürfen Stellung nehmen und gegebenenfalls Entlastungsbeweise vorlegen.

Beweiserleichterungen

In bestimmten Fällen kann es zu Beweiserleichterungen für den Arbeitgeber kommen, etwa wenn der Arbeitnehmer sich weigert, an der Aufklärung mitzuwirken.

Folgen bei unrechtmäßiger Verdachtskündigung

Folgen bei unrechtmäßiger Verdachtskündigung

Eine unrechtmäßige Verdachtskündigung kann für den Arbeitgeber erhebliche finanzielle Folgen haben.

Anspruch auf Weiterbeschäftigung

Stellt sich die Verdachtskündigung als unwirksam heraus, hat der Arbeitnehmer in der Regel einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung.

Vergütungsanspruch

Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf die entgangene Vergütung für den Zeitraum zwischen der Kündigung und der gerichtlichen Feststellung der Unwirksamkeit.

Schadensersatz für immaterielle Schäden

In schwerwiegenden Fällen kann der Arbeitnehmer auch Schadensersatz für immaterielle Schäden geltend machen, etwa wenn die Verdachtskündigung rufschädigend war.

Tatkündigung vs. Verdachtskündigung

Arbeitgeber sollten die Verdachtskündigung als letztes Mittel betrachten und zunächst alternative Maßnahmen in Erwägung ziehen.

Interne Untersuchungen

Bevor eine Verdachtskündigung ausgesprochen wird, sollten gründliche interne Untersuchungen durchgeführt werden, um den Verdacht zu erhärten oder zu entkräften.

Abmahnung

In weniger schwerwiegenden Fällen kann eine Abmahnung eine angemessene Alternative zur Verdachtskündigung sein.

Versetzung oder Freistellung

Temporäre Maßnahmen wie eine Versetzung oder Freistellung können Zeit für weitere Untersuchungen schaffen, ohne das Arbeitsverhältnis sofort zu beenden.

Aktuelle Rechtsprechung zur Verdachtskündigung

Die Rechtsprechung zur Verdachtskündigung entwickelt sich ständig weiter. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten daher die aktuellen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) im Blick behalten.

BAG-Urteil zur Aufklärungspflicht

In einem wegweisenden Urteil hat das BAG die Anforderungen an die Aufklärungspflicht des Arbeitgebers konkretisiert (BAG, Urteil vom 25.10.2012 – 2 AZR 700/11).

Entscheidung zur Anhörungsfrist

Das BAG hat in einer Entscheidung klargestellt, dass die Frist für die Anhörung des Arbeitnehmers angemessen sein muss (BAG, Urteil vom 23.05.2013 – 2 AZR 102/12).

Urteil zur Verdachtskündigung im Kleinbetrieb

Auch für Kleinbetriebe gelten besondere Regeln bei der Verdachtskündigung, wie das BAG in einem Urteil festgestellt hat (BAG, Urteil vom 23.05.2013 – 2 AZR 102/12).

Fazit: Die Verdachtskündigung – ein zweischneidiges Schwert

Die Verdachtskündigung ist ein komplexes Instrument im Arbeitsrecht, das sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer mit Risiken verbunden ist. Arbeitgeber müssen sorgfältig prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Verdachtskündigung erfüllt sind und alle notwendigen Schritte, insbesondere die Anhörung des Arbeitnehmers, korrekt durchführen. Arbeitnehmer sollten im Falle einer Verdachtskündigung umgehend rechtlichen Beistand suchen, um ihre Rechte zu wahren.

Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat die Anforderungen an eine wirksame Verdachtskündigung in den letzten Jahren zunehmend verschärft. Dies unterstreicht die Notwendigkeit für Arbeitgeber, besonders sorgfältig vorzugehen, um eine unwirksame Kündigung zu vermeiden.

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